Medikamente im Trinkwasser

Arzneimittel sind chemische Stoffe, welche biologisch hochwirksam sind. Wie wirken diese Stoffe, wenn sie stark verdünnt über das Trinkwasser aufgenommen werden? Und wie kumulieren sich niedrige Dosen über einen langen Zeitraum im menschlichen Körper? Wenn sich Medikamentenrückstände im Trinkwasser befinden, nehmen wir diese über das Trinken und Essen auf. Laut Umweltbundesamt gelangen täglich mehrere Tonnen Arzneimittelwirkstoffe in Böden und Gewässer. 

Den ersten Funde von Arzneimittelrückständen in unserer Umwelt gab es in den 1970er Jahren in den USA. Mittlerweile sind weltweit in den Kläranlagen, in Flüssen und auch in den Meeren Wirkstoffe aus fast allen Arzneistoffgruppen gefunden worden. In Deutschland wurden vor ein paar Jahren an ca. 250 Messstellen nahezu 700 Proben auf bis zu 39 Arzneistoffe hin untersucht. Die Konzentrationen betrugen bereits damals bis zu 10 μg/l. Jedoch bewegen sich die Konzentrationen der meisten Arzneistoffe in Oberflächengewässern in Bereichen zwischen 0,1 und 1 μg/l. Arzneistoffe werden aber auch im Grundwasser gefunden. Diese sind zwar vielerorts niedrig oder unterhalb der Nachweisgrenze, es gibt aber einige Regionen wie z.B. Berlin, in denen einige der gemessenen Parameter an Grenzwerte herankommen oder sie überschreiten. Die höchsten Konzentrationen im Rohwasser von Wasserwerken waren diejenigen von Analgetika (Schmerzmittel), Röntgenkontrastmitteln oder Fettsenkern.

Zu beachten ist hier, dass in Deutschland etwa ein Drittel des Trinkwassers aus Oberflächengewässern, Uferfiltrat oder angereichertem Grundwasser gewonnen wird. Dieses enthält im Vergleich zum Grundwasser meist höhere Konzentrationen und eine größere Anzahl an nachweisbaren Arzneistoffen. Noch immer liegen aber die durch den Menschen aufgenommenen Mengen weit unterhalb solcher, die sonst für therapeutische Zwecke verabreicht werden.

Medikamente im Trinkwasser

Grenzwerte und Risiken

Laut Umweltbundesamt wurden in Deutschland bis 2011 insgesamt 23 Wirkstoffe im Trinkwasser gefunden und im Grundwasser Spuren von 55 verschiedenen Arzneimitteln nachgewiesen. Die bislang entdeckten Rückstände von Medikamenten / Arzneistoffen sind wahrscheinlich nur der Anfang, denn gefunden wird nur, wonach auch gesucht wird. In Deutschland gibt es im Jahr 2020 ca. 2700 Wirkstoffe auf dem Markt (ca. 90.000 Medikamente).

Trotz vieler Kritik von Forschern und Umweltaktivisten gibt es bislang keine verbindlichen Grenzwerte, was die Konzentration von Medikamenten im Wasser betrifft. Völlig ausgeschlossen werden können Risiken für den Menschen durch Arzneistoffe nicht, vor allem aufgrund von Wissenslücken bei Kombinations- und Langzeitwirkungen geringer Dosen. Anlass zur Besorgnis bereiten zudem Funde von antibiotikaresistenten Keimen in Gewässern.

In den nächsten Jahren ist zu erwarten, dass die Konzentrationen von Arzneimittelreststoffen im Wasser weiter zunehmen werden. Daher ist eine gewisse Achtsamkeit geboten, selbst wenn bei den heute zu beobachtenden, sehr geringen Konzentration keine Beweise für gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen existieren. Medikamentenrückstände im Trinkwasser könnten sich, vor allem die Kumulation von kleinen Dosen über sehr lange Zeiträume, in Zukunft als problematisch für die menschliche Gesundheit erweisen.

Medikamentenreste

Wie gelangen Medikamentenreste ins Trinkwasser?

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist ein Großteil der Verunreinigungen darauf zurückzuführen, dass Privatpersonen abgelaufene Medikamente in der Toilette entsorgen. Aber auch durch den Urin von Patienten gelangen Arzneimittelrückstände ins Abwasser. Je nach Wirksubstanz werden bei oral aufgenommen Medikamenten bis zu 90 Prozent der Wirkstoffe unverändert bzw. in Form von Abbauprodukten ausgeschieden. All diese Medikamentenrückstände gelangen so auf unterschiedlichsten Wegen in den städtischen Wasserkreislauf. Neben dem Umweltbundesamt geht auch der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches davon aus, dass der Arzneimittelverbrauch aufgrund der demografischen Entwicklung auf lange Sicht weiter ansteigen wird. Bis 2045 dürfte der Verbrauch an Arzneimitteln um etwa 70 Prozent steigen. Damit werde höchstwahrscheinlich auch die Menge an Arzneimittelrückständen in der Umwelt ansteigen.

Selbst mit aufwendigen Reinigungsverfahren können Arzneimittel-Rückstände nicht zu 100 Prozent herausgefiltert werden und wieder in den sauberen Wasserkreislauf zurückgelangen. Während etwa Schmerzmittel wie Paracetamol oder Aspirin als relativ gut abbaubar gelten, ist das bei Diclofenac schwierig. Probleme bereiten auch die Hormonreste der Anti-Babypille, die bei Tieren in Gewässern die Fortpflanzung beeinträchtigen können. Antibiotika-Rückstände verschärfen zudem das Resistenzproblem.

Medikamentenreste aus dem Klärwerk

Quellen

https://www.umweltbundesamt.de/daten/chemikalien/arzneimittelrueckstaende-in-der-umwelt#arzneimittelwirkstoffe-in-der-umwelt

https://www.dvgw.de/medien/dvgw/wasser/qualitaet/dvgw-wasserinfo-nr-54_2015_04.pdf

https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/arzneimittel-in-der-umwelt-vermeiden-reduzieren

https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/berichte/TAB-Arbeitsbericht-ab183.pdf